Mittwoch, 12. November 2008

Bundestag verabschiedet BKA-Gesetz mit heimlichen Online-Durchsuchungen

Der Bundestag hat die umkämpfte Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) mit der Mehrheit der großen Koalition in seiner Plenarsitzung am heutigen Mittwoch verabschiedet. Die Wiesbadener Polizeibehörde erhält damit trotz massiver Kritik selbst aus Ermittlerkreisen und entgegen der Stimmen der Opposition umfangreiche präventive Kompetenzen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Bis zuletzt besonders kontrovers war die Lizenz für heimliche Online-Durchsuchungen informationstechnischer Systeme. Sie wird gemäß dem Kompromiss von Union und SPD sowie den darauf basierenden Änderungen des Innenausschusses zunächst bis 2020 erteilt. Bei Gefahr im Verzug kann der BKA-Präsident die Maßnahme ohne richterliche Genehmigung anordnen.

Das künftige Arsenal für das BKA umfasst Befugnisse für bundesweite Rasterfahndungen unter Einschluss von Datensammlungen "nicht-öffentlicher Stellen", die präventive Telekommunikationsüberwachung einschließlich Abhören der Internet-Telefonie sowie zum großen Späh- und Lauschangriff auf Wohnräume mit winzigen Kameras und Wanzen. Die Ermittler dürfen zudem Verbindungs- und Standortdaten abfragen, Mobiltelefone mit dem IMSI-Catcher orten und Platzverweise erteilen.

"Wir werden ein deutsches FBI bekommen und eine Polizei, die zugleich ihr eigener Geheimdienst ist", warnte der grüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland. Durch Überzentralisierung entstehe eine Monsterbehörde ohne parlamentarische Kontrolle. Hauptproblem sei, dass die Arbeit des BKA immer weiter in den Geheimbereich verlegt werde, was zu einer "entfesselten" Polizei führe. Dem Vorhaben liege eine falsche Sicherheitsphilosophie zugrunde. Von ihm gehe das "verheerende Signal an die Länder" aus, "der Bund macht das jetzt". Ulla Jelpke bemängelte für die Linken, dass die "oberflächlichen Änderungen" der Koalition nicht darüber hinwegtäuschen können, dass dem Gesetz der Atem eines Obrigkeitsstaates anhänge. Der ganze Komplex heimlicher Bespitzelungsmaßnahmen werde dem BKA weit im Vorfeld eines konkreten Verdachts ausgehändigt. Dies sei ein "gefährlicher Schritt in den Überwachungsstaat".

Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mahnte ein Ende von Kampagnen an, "unseren freiheitlichen Verfassungsstaat in einer Weise zu diffamieren, dass es bei jungen Leuten so ankommt, als sei es die Stasi". Die Polizei habe die Aufgabe, falls möglich, Straftaten zu verhindern. Dafür müsse sie versuchen, die Kommunikation, die Verbrechen vorhergeht, heimlich abzufangen. Insofern "schaffen wir nicht neue Befugnisse, sondern reagieren auf technische Entwicklungen." Zugleich ging der CDU-Politiker davon aus, dass "alle Länder" Kompetenzen wie für Online-Razzien bräuchten und diese nun nach und nach bekämen. Dies führte Schäuble zu dem Schluss zurück, dass sie dem BKA nicht zu verwehren seien. Der Minister hatte vorab bereits versichert, dass das Projekt "zu hundert Prozent" dem Grundgesetz entspreche.

Vertreter der Grünen hatten am Mittag gemeinsam mit der Ortsgruppe Berlin des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung in der Nähe des Reichstags gegen die Verabschiedung des Gesetzesentwurfs demonstriert. Drei Aktivisten, die während der Lesung im Bundestag auf der Besuchertribüne Plakate mit der Aufschrift "BKA-Gesetz gefährdet die Demokratie" hoch hielten, wurden vorübergehend in Sicherheitsgewahrsam genommen.
 
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